Gesundes Grundfutter für Rehepferde

Gesundes Grundfutter für Rehepferde

Grundvoraussetzung für gesunde, leistungsfähige Tiere ist eine Ernährung, die schmackhaft, nahrhaft, sättigend und gesund ist. Die gesamte Futterwirtschaft vom Grünlandbestand über Ernte und Konservierung bis hin zur Rationsgestaltung und Fütterung muss sich den Ansprüchen des Tieres unterordnen. Wir müssen das Tier gewissermaßen als unseren Kunden betrachten und auch so behandeln. In diesem Zusammenhang spielt die Qualität des Futters eine entscheidende Rolle.

 

 

Nun, Futterqualität setzt sich aus vielen Faktoren zusammen. Nach Weißbach (1993) spielen einerseits die Nährstoff- und Energiegehalte eine Rolle für den Futterwert, ferner sind aber auch die verzehrsbestimmenden und diätetischen Eigenschaften wie der TM-Gehalt, die physikalische Beschaffenheit, die Futterhygiene sowie Geruchs- und Geschmacksstoffe wichtige Qualitätsparameter.

 

 

Die Gegenleistung des Tieres für eine hohe und dem Bedarf entsprechende Futterqualität ist eine hohe Leistung, die wiederum nur von einem gesunden Tier erbracht werden kann. Fehlt ein Baustein in dieser Pyramide, so verringert sich ihre Höhe und die sich ergebende tierische Leistung wird eine geringere sein. Die Basis bildet ein hochwertiger Pflanzenbestand, ohne den keine Qualitätsfuttererzeugung möglich ist. Rechtzeitig und sauber geerntet sowie schonend und sachgerecht konserviert, liegen Heu oder Silage in hoher Qualität vor. Um jedoch eine bedarfsgerechte Ration gestalten zu können, muss dieses Futter auf seine Eigenschaften insbesondere hinsichtlich Futterwert und Konservierungsqualität untersucht werden. In Bezug auf Rehepferde spielt innerhalb der Futterwerteigenschaften die Kenntnis des Fruktangehaltes eine besondere Rolle, da Fruktane fütterungsbedingte Hufrehe auslösen können (Coenenund Vervuert, 2002, Hoffmanet al., 2001; Huntington und Pollitt, 2002). Nur die Kenntnis der wertgebenden Parameter ermöglicht es, bedarfsgerechte Rationen zusammenzustellen und Fehl- bzw. Mangelernährung zu vermeiden. Schließlich gehören aber auch Sauberkeit und der freie und ungestörte Zugang zu frischem Wasser, also alles, was sich unter dem Begriff Fütterungskomfort summieren lässt, zu den unabdingbaren Voraussetzungen für hohe tierische Leistungen.

 

 

Ein hochwertiger Grünlandbestand für Pferde besteht zu 70 – 80 % aus hochwertigen Gräsern und ist frei von Unkräutern, etwa Brennesseln, Disteln, Ampfer usw., die das Pferd verschmäht. Auf gar keinen Fall dürfen Giftpflanzen vertreten sein wie das Jakobs-Kreuzkraut, die Herbstzeitlose oder der Scharfe Hahnenfuß. Damit dieser Pflanzenbestand dauerhaft hohe Leistungen in Form von Qualitätsfutter und hohen Erträgen erbringen kann, muss er standort- und nutzungsangepasst ernährt und gepflegt werden. Zu nennen sind etwa Düngung, Striegeln, Nachsaaten, Nachmahd. Im Idealfall reichen diese Maßnahmen aus, um das Grünland in einem hervorragenden Zustand zu erhalten. Sind im Einzelfall jedoch Pflanzenschutzmaßnahmen nötig, etwa um Jakobs-Kreuzkraut aus dem Bestand zu entfernen, sollte Rat beim Pflanzenschutzamt eingeholt werden.

 

 

Im Reifeprozess des Grünlandbestandes gehen mit zunehmender Abreife die Rohprotein- und Energiegehalte zurück, während die Rohfasergehalte und Masseerträge ansteigen. Bezogen auf den Energieertrag wird der Rückgang des Energiegehaltes durch den Massezuwachs überkompensiert, so dass der Energieertrag ebenfalls ansteigt. Je nach geplanter Verwendung des eingesetzten Futters gibt es optimale Erntezeitpunkte, zu denen die Rationskosten je Leistungseinheit am geringsten sind. Wird früher geerntet, liegt zwar ein sehr hoher Energiegehalt vor, jedoch bei zu geringen Erträgen. Im Extrem kann so jedoch nicht nur ein außerordentlich teures Futter geerntet werden, es können zudem auch Schwierigkeiten bis hin zur Unmöglichkeit in der Gestaltung einer artgerechten Ration auftreten. Ebenso verhält es sich bei verspäteten Ernteterminen, nur dass jetzt die geringen Gehalte an z.B. Energie und Rohprotein zum Einsatz teurer Komponenten in der Ration zwingen, um das Tier bedarfsgerecht ernähren zu können. Der Erntezeitpunkt wirkt sich also zugleich auf die Tiergesundheit und die Kosten der Tierhaltung aus.

Aus diesem Grunde sollte nicht nur zur rechten Zeit geerntet werden, es sollte zudem in der Wahl des Konservierungsverfahrens nach Möglichkeit auch flexibel auf die herrschende Witterung reagiert werden. Der Grünlandbestand kann bei der Mahd noch so gute Futterwerteigenschaften aufgewiesen haben, wenn während der Ernte ein oder mehrere Regenschauer gefallen sind, ist sowohl im Futterwert als auch in der hygienischen Beschaffenheit der Konserve keine Qualität mehr zu erwarten. Ferner ist Sauberkeit Grundvoraussetzung für gute hygienische Eigenschaften des Futters. Tierkadaver und Erde haben nichts im Erntegut zu suchen. U.a. um Erdeinträge zu vermeiden und einen raschen Wiederaustrieb des Grünlandbestandes zu gewährleisten, sollte die Schnitthöhe 7 cm nicht unterschreiten. Ferner muss beim Zetten, Wenden und Schwaden sehr behutsam mit dem Erntegut umgegangen werden, um unnötige Bröckelverluste zu vermeiden. Denn hiervon sind immer nur die wertvollen Blätter betroffen, nie die rohfaserreichen und energiearmen Stengel.                                
Je nach Art des Konservierungsverfahrens spielt auch die Intensität des Anwelkens eine bedeutende Rolle. Soll Silage hergestellt werden, muss zur Gewährleistung des Silierprozesses ein Restwassergehalt von mindestens 40, besser 50 – 60 % vorhanden sein. Sogenannte Heulagen mit TM-Gehalten über 60 % enthalten nicht genügend Wasser, um eine lagerstabile Silage herzustellen. Hier handelt es sich im Grunde um eine Futterlagerung unter CO2-Atmosphäre. Andererseits ist bei der Silagebereitung für Pferde jedoch auch zu beachten, dass ein Mindest-TM-Gehalt von 40 % vorliegt.                                                                                                                       
Heu hingegen muss ausreichend getrocknet sein, um Qualitätseinbußen durch Schimmel und Erhitzung auszuschließen und lagerfähig zu sein. Der Restwassergehalt darf 14 % nicht übersteigen, d.h., es muss mindestens ein TM-Gehalt von 86 % vorliegen.

 

 

Schimmel hat im Futter nichts zu suchen und verschimmeltes Futter nichts im Stall oder im Futterlager. Schimmel mindert nicht nur die Leistung, er beeinträchtigt auch die Gesundheit von Mensch und Tier. Deshalb ist Sauberkeit im Futterlager sowie generell im Stall einschließlich weitestgehender Staubfreiheit ebenfalls ein Bestandteil der Erhaltung der Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Tiere.

 

 

 

 

Es gibt viele Angaben darüber, welche Eigenschaften ein qualitativ hochwertiges Futter für Pferde aufweisen soll. Hinsichtlich der hygienischen Eigenschaften herrscht weitgehend Einigkeit, dass diese tadellos sein sollen. Hingegen differieren die Angaben zu den Futterwertparametern. Ursache ist nicht Unwissenheit, vielmehr stellt sich die Frage, welches Pferd und welche Leistungsanforderung zu Grunde gelegt wird. Die höchsten Ansprüche an die Futterwerteigenschaften stellen Spitzenpferde in Sport und Zucht sowie Fohlen unter einem Jahr. Geringe Ansprüche stellen Freizeitpferde mit gelegentlicher bis geringer Arbeitsbelastung sowie Robustrassen. Von Bedeutung ist ferner das Ergänzungsfutter auf der Weide, das in der Hauptsache sättigen und die hohen bis sehr hohen Gehalte an Energie und Nährstoffen von jungem Weidegras ausgleichen soll.

 

 

 

Fruktan als Auslöser fütterungsbedingter Hufrehe

Futtergräser der gemäßigten Breiten können sehr hohe Gehalte an wasserlöslichen Kohlenhydraten, darunter insbesondere auch an Fruktanen, aufweisen. Starke physiologische bedingte Unterschiede im Jahresgang sind belegt. Im Frühjahr stehen in den Gräsern Fruktane in höchster Konzentration als Assimilationsprodukte und Reservestoffe für das Massenwachstum des ersten Aufwuchses zur Verfügung. Zu Zeiten hohen Energiebedarfs werden die Fruktane zunächst in Mehrfachzucker, dann in Doppel- und Einfachzucker zerlegt und für das Wachstum verbraucht (Kühbauch, 1978). Besonders ausgeprägt ist die Fruktanproduktion bei den Weidelgräsern (Gräßler und von Borstel, 2005).

 

 

Je höher die Sonneneinstrahlung hinsichtlich ihrer Intensität und Dauer ist, umso mehr Assimilate und damit auch Fruktane bilden die Gräser. Diese Assimilate werden umso rascher verbraucht, je größer die Wachstumsgeschwindigkeit der Gräser ist. Stockt das Wachstum z.B. infolge von Nährstoffmangel, geringen Temperaturen usw., werden u.a. die Fruktane gespeichert und ihr Gehalt steigt an. Umgekehrt sinkt der Fruktangehalt, wenn bei sonst guten Wachstumsbedingungen die Lichteinstrahlung gering ist.          
Der Ort, an dem Fruktane im Gras gespeichert werden, ist der Stengelgrund. D.h., je weiter man sich vom Erdboden entfernt, umso geringer ist der Fruktangehalt. Je nach Bestandeshöhe, Pflanzenart und Fruktangehalt befindet sich bis zu etwa 60 % der gesamten Fruktanmenge sich in den unteren 5 cm der Gräser und bis zu 85 % in den unteren 10 cm. In Extremfällen hat die AG FUKO in 0 – 5 cm Höhe Fruktangehalte von 25 bis 35 % i.d. TM ermittelt, wobei diese Werte in nasschemischen Kontrolluntersuchungen durch die FAL (heute JKI) bestätigt wurden.

 

 

Eine fütterungsbedingte Hufreheerkrankung beginnt mit einer Überladung des Dickdarmes mit Kohlenhydraten, die eine Dickdarmacidose auslöst mit der Folge der Schädigung der Darmflora. In der Folge werden Endotoxine freigesetzt, die eine Blutgefäßverengung vor allem im Bereich der Vorderhufe bedingen. Im weiteren Verlauf kann die akute Hufrehe bis zu einer Zerstörung des Hufbeinträgers und Ablösung der Hornwand führen (Nater, 2006). Nach Hoffmanet al., 2001, sowie Huntingtonund Pollitt, 2002, sind insbesondere Fruktane Auslöser. Fütterungsversuche von Mösseler (2004) sowie Huntingtonund Pollitt (2002) legen nahe, dass die Dosis, ab der Fruktane akute Hufreheschübe bei Pferden auslösen, je nach Veranlagung zwischen 1,5 und 7,5 g chemisch reinen Fruktanen pro kg Körpergewicht liegt.

 

 

Diese Zusammenhänge werfen die Frage auf, weshalb wildlebende Pferde trotz dieser Gefahren offenbar wenig Probleme mit fütterungsbedingter Hufrehe haben. Die Antwort lässt sich einfach finden, wenn man das andere Ende der Nahrungskette einbezieht:                                                                                                      
In einer Steppenlandschaft mit hohen Grasbeständen werden Pferde zunächst die oberen Pflanzenteile fressen, die nur geringe Fruktangehalte aufweisen. Die Fressfeinde der Pferde müssen ihre Jungen, die etwa im März/April geworfen werden, versorgen und üben in der „Fruktanzeit“ zwischen April und Juni einen erhöhten Bejagungsdruck auf ihre Beute aus. Dadurch werden Pferde nach relativ kurzer Fresszeit von ihren Fressfeinden zur Flucht getrieben. Zudem verursacht Laufen bekanntlich Durst, was zu einer erhöhten Wasseraufnahme durch die Pferde führt. Ferner befinden sich die Pferde nach ihrer Flucht nicht mehr an der Stelle, an der sie das Gras gefressen hatten und deshalb dort die Fruktangehalte im Aufwuchs vergleichsweise hoch sind. Dieses Spiel wiederholt sich mehrere Male am Tag, so dass in den Verdauungstrakt wildlebender Pferde immer nur geringe Fruktanmengen je Zeiteinheit gelangen, die zudem noch durch die erhöhte Wasseraufnahme verdünnt vorliegen.
Die Abbildung mit den Fruktangehalten in unterschiedlichen Höhenabschnitten von unterschiedlich hohen Pflanzen belegt den Zusammenhang von geringer Aufwuchshöhe und hohen Fruktangehalten. Geschnitten wurde das Material am Nachmittag des 14.05.2012, also bei "Fruktanwetter". Es handelt sich um Pflanzen aus den Randparzellen eines Sortenversuches, so dass unter extensiven Bedingungen deutlich höhere Fruktangehalte vorliegen würden. Obwohl es sich bei den Pflanzen um Reinbestände Deutschen Weidelgrases handelt, sind die gefundenen Fruktangehalte nicht außergewöhnlich, denn sie treten in Praxis?Heuproben für Pferde durchaus in dieser Größenordnung auf.

Betrachtet man das aufgezwungene Fressverhalten unserer Hauspferde, so bekommen sie im Stall zwei Teilrationen am Tag, die sie zügig auffressen. Auch haben die Pferdeweiden häufig eher eine gewisse Ähnlichkeit mit einem extrem kurzrasigen Golfplatz als mit einer Steppenlandschaft. Mangelnde Bewegung begrenzt zudem die Wasseraufnahme der Tiere. D.h., es ist sinnvoll im Rahmen der Vermeidung fütterungsbedingter Hufrehe auch das Fütterungsregime und die Haltungsbedingungen einzubeziehen. Denn die häufig anzutreffende Maßnahme, das Heu vor der Fütterung kurz zu wässern, wirkt zwar hervorragend gegen Staub, zur Reduktion von erhöhten Fruktangehalten sind jedoch so lange Wässerungszeiten nötig, dass dieses Verfahren praktisch nicht durchführbar ist.

 

Vermeidung erhöhter Fruktanaufnahmen durch Pferde

Insbesondere, wenn Hufrehe als latentes oder akutes Problem im Pferdebestand vorhanden ist, muss der Fruktangehalt des vorhanden Grundfutters (Heu bzw. Grassilage) im Rahmen einer Futterwertuntersuchung ermittelt und die Ration fruktanarm zusammengestellt werden.

Auf  Weiden sollte darauf geachtet werden, dass die Grasnarbe nicht zu tief abgegrast wird. Die kritische Weidehöhe von 8 cm sollte keinesfalls unterschritten werden, ggf. müssen abgegraste Teilflächen ausgezäunt werden bis wieder eine ausreichende Wuchshöhe erreicht ist.                                                             
Bei Wetterlagen, die zu hohen Fruktangehalten führen, sollten Pferde vor dem Weidegang im Stall gefüttert werden, damit sie nur wenig fruktanreiches Weidegras aufnehmen. Auch sollte die Weidezeit begrenzt werden.           
Es sollte dafür gesorgt werden, dass die Pferde statt weniger großer viele kleine Teilrationen aufnehmen und dass durch Arbeit bzw. Bewegung eine hohe Wasseraufnahme erreicht wird. Ziel ist es, dass je Zeiteinheit geringe Fruktanmengen in geringer Konzentration im Verdauungstrakt vorliegen.

Viel Bewegung der Pferde zur Anregung der Wasseraufnahme muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass man hufkranke Tiere zum Laufen zwingt, wie das "Seepferdchen" zeigt. Gerade für entzündete Hufe ist Schwimmen in kühlem Wasser eine Wohltat.

Auf  Weiden und Wiesen verringern optimale Wachstumsbedingungen die Fruktangehalte. So verringert nach Sommer (2008) eine gute Nährstoffversorgung den Fruktangehalt um etwa 50 %.

Mähflächen sollten erst nach dem Abbau erhöhter Fruktangehalte, nach mindestens zwei Tagen mit reduzierter Sonneneinstrahlung, geerntet werden. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass die Pflanzen nur dann Fruktane abbauen können, wenn sie Stoffwechsel betreiben und wachsen.                                                       
Im Interesse sowohl der Grünlandbestände als auch der Pferde sollte nicht zu tief gemäht werden. Eine Schnitthöhe von 7 cm verbessert den Wiederaustrieb der Gräser und verringert den Fruktangehalt im Erntegut. 
Wenn möglich, sollte das Gras siliert werden, denn im Silierprozess wird der Fruktangehalt deutlich verringert (Sommer, 2008). Dagegen ändert sich der Fruktangehalt bei der Heubereitung praktisch nicht.

Bei der Wahl von Nachsaatmischungen für Pferdegrünland ist von Neuzüchtungen von Deutschem Weidelgras mit erhöhtem Zuckergehalt (sweet grass, Hochzuckergras) Abstand zu nehmen. Geeigneter sind Sorten von Deutschem Weidelgras mit geringem bis mittlerem Zuckergehalt.

Steht auf Grünlandflächen für Pferde eine Neuansaat an, sollten Gräsermischungen mit hohen Anteilen an Wiesenlieschgras, Rotschwingel und Knaulgras bevorzugt werden.

Abschließend sei noch angemerkt, dass sich die Ergebnisse von Futteruntersuchungen hervorragend eignen, um Möglichkeiten zur Verbesserung der Futtererzeugung in all ihren Bereichen einzugrenzen und Optimierungspotentiale gezielt zu nutzen.