Große Wachstumsschritte tiergerecht angehen

Große Wachstumsschritte tiergerecht angehen

Es gibt immer mehr oder weniger viele Milchviehhalter, die aus ganz unterschiedlichen Gründen diesen Betriebszweig einstellen. Das ermöglicht auf der anderen Seite mehr oder weniger vielen Milchviehhaltern, diesen Betriebszweig in ihrem Betrieb ausweiten.

Neben dem Wachstum aus dem eigenen Bestand über höhere Einzeltierleistungen oder durch Aufstockung aus eigener Remontierung findet verstärkt auch Wachstum durch Zukauf ganzer Herden statt. Schließlich werden bei den Milcherzeugern mit wachsenden Herdengrößen zur Bewältigung der erforderlichen Arbeiten zunehmend Fremdarbeitskräfte nötig, zu deren Auslastung entsprechend große Wachstumsschritte Voraussetzung sind.

Erfolgreiches Wachstum in großen Schritten führt jedoch zu mehr Veränderungen als „Wand raus – Stall verlängern – neue Herde rein – Fremd-AK einstellen – fertig“. Wer so vorgeht, wird feststellen, dass der Mittelwert aus zweimal 10.000 kg Durchschnittsmilchleistung / Kuh und Jahr nur 9.000 oder weniger kg Milchleistung / Kuh und Jahr beträgt. 

Optimale Haltungsbedingungen sind die Voraussetzung für nachhaltige Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Tiere. Zunächst einmal können Krankheiten die Leistung beeinträchtigen. Wer zwei Herden zu einer vereinigt, sollte entsprechend Vorsorge tragen. Dies kann durch Quarantäne für verdächtige Einzeltiere erfolgen oder durch bauliche Maßnahmen wie einer räumlichen Trennung der Stallgebäude für die Teilherden. Unverzichtbar ist auf jeden Fall das Gespräch vorab mit den behandelnden Bestandstierärzten.

Von Beginn an sollten für jede Kuh alle Versorgungseinrichtungen (Tränken, Fress- und Liegeplatz etc.) in ausreichender Anzahl vorhanden sein. SPOHR (2003) empfiehlt sogar einige zusätzliche Liegeplätze vorzuhalten, da bereits bei einem Tier-Liegeplatzverhältnis von 1 : 1 rangniedere Kühe freie Liegeboxen nicht annehmen. Häufige, leistungsmindernde Rangkämpfe sind Zeichen für beengte Raumverhältnisse. Da mangelnde Ausweichmöglichkeiten Verletzungsgefahren fördern, sind ferner Sackgassen unbedingt zu vermeiden.

Die Boxen müssen so dimensioniert sein, dass die Kuh sich bequem und ohne Verletzungsgefahr bewegen kann, ohne dass dabei Kot und Harn in die Liegebox gelangen. Ist die Liegebox überdimensioniert, verschmutzt die Liegefläche, ist sie unterdimensioniert, tritt vermehrt Spaltenliegen auf. Beides ist aus Gründen der Hygiene und Eutergesundheit unerwünscht. Nach Möglichkeit sollte die Herde deshalb entsprechend der Größe (kleinrahmige Erstkalbinnen, großrahmige Kühe) in Gruppen gehalten werden oder eine einheitliche Größe aufweisen.

Doch auch die ehemaligen Haltungsbedingungen der zugekauften Tiere haben Einfluss auf die Entwicklung der Leistungen. Im Idealfalle stammt die zugekaufte Herde aus den gleichen Haltungsbedingungen, wie sie im neuen Stall herrschen. D.h., „Spaltenboden-Kühe“ sollten möglichst wieder auf Spaltenboden und nicht auf z.B. Gusasphalt gehalten werden. Auch reagieren ältere Kühe (ab dem 4. Kalb) empfindlicher auf geänderte Haltungsbedingungen als jüngere (MAHLKOW-NERGE, 2009).

Die Stallhygiene ist eine wesentliche Maßnahme zur Gesunderhaltung der Kühe, insbesondere jedoch bei Einstallung einer neuen Herde. Neben der täglichen Stallhygiene sollte eine regelmäßige Desinfektion zumindest einmal jährlich sowie bei jeder Neubelegung (Trockensteher-, Abkalbe-, Krankenbereich etc.) selbstverständlich sein.

Mit steigender Herdengröße verringert sich der Kontakt zum einzelnen Tier. Deshalb müssen das Herdenmanagement optimiert und anfallende Daten konsequent auswertet werden. Neben den klassischen Managementhilfen wie Brunstkalender erleichtern technische Hilfsmittel wie rechnergestützte Brunsterkennung das Management.

Die Gliederung der Herde in synchrone Gruppen, die gleichzeitig besamt werden, abkalben usw. schafft Übersichtlichkeit und erleichtert das Herdenmanagement (PFÜTZNER, BEETZ, 2000). Wichtige Aufgaben fallen in jeder Gruppe konzentriert in einem eng umgrenzten Zeitraum an, was jederzeit die optimale Betreuungsintensität sichert. Die Gruppenhaltung ermöglicht u.a. das gründliche Desinfizieren kompletter Stallbereiche vor dem Einstallen einer neuen Gruppe.       
Untersuchungen von PHILLIPS et al. (2002) belegen die positive Beeinflussung der Milchleistung durch Trennung dominanter von rangniederen Tieren infolge geringeren sozialen Stresses für ranghohe wie rangniedere Tiere. Das Thema Rangauseinandersetzungen sollte also bei der Gruppeneinteilung berücksichtigt werden.

Kühe haben hinsichtlich der Fütterung unterschiedliche Ansprüche entsprechend z.B. ihres Laktations- oder Trächtigkeitsstadiums. Während zur bedarfsgerechten Ernährung in der Trockensteh- und Transitphase etwa 9 – 12 kg TM / Kuh und Tag bei Rations-Energiegehalten von 5,6 – 6,5 MJ NEL / kg TM ausreichen, muss die Kuh in der Frühlaktation bei einer Milchleistung von 50 kg / Tag in der Laktationsspitze täglich rund 30 kg TM mit einem Energiegehalt von 6,8 – 7,1 MJ NEL / kg TM aufnehmen (FLACHOWSKY, LEBZIEN, MEYER, 2003, GROENEWOLD, 2003). Im Anschluss an die mittlere Laktationsphase, in der Energiebedarf und -aufnahme ausgeglichen sind, besteht wiederum die Gefahr der Überversorgung.

Im Idealfall würde dies für die Futterwirtschaft bedeuten, dass gezielt Silomieten mit unterschiedlichem Futterwert angelegt werden, so dass gruppenweise entsprechend des Bedarfes das optimale Grundfutter zur Verfügung steht. Aus Sicht der Fütterung wären etwa 3 – 4 Qualitäten bei der Grassilage wünschenswert und 2 – 3 bei der Maissilage. Um auch hier eine Rationalisierung sinnvoll einzuführen, ist die Herdengröße jedoch von entscheidender Bedeutung. Ein Fahrsilo in der geforderten Dimensionierung ist erst ab etwa 70 – 80 Kühen sinnvoll. Bei 3 – 4 Fütterungsgruppen ergibt sich somit eine Mindest-Herdengröße von etwa 200 – 300 Kühen. Bei kleineren Herden könnte die Einteilung in 2 Fütterungsgruppen einen Kompromiss darstellen, aber auch in überbetrieblichen Ansätzen, etwa in Form von Futterbau-GbR, lassen sich Lösungsmöglichkeiten finden.